Das Wegweisungsrecht – Gesetz gegen gewalttätige Männer

Ein Mann prügelt wie von Sinnen auf seine Ehefrau ein. Er brüllt sie an, wirft mit Dingen um sich und zerstört neben der Prügelei auch noch die komplette Wohnungseinrichtung. Seit 2002 hat die Polizei eine gesetzliche Handhabe gegen diese gewalttätigen Männer. Damit ist es möglich, die häusliche Gewalt öffentlich zu machen und den prügelnden Mann an den Pranger zu stellen.

Die Polizeibeamten sind fort, endlich herrscht Stille in der Wohnung der jungen Frau. Ihr Mann, der sie noch vor einer halben Stunde verprügelt und angeschrien hat, musste gehen: Die Polizei hat ihn aus der Wohnung «weggewiesen». Drei Mal am Tag machen die Polizeibeamten in Hamburg von dem neuen so genannten Wegweisungsrecht durchschnittlich Gebrauch.

Alkohol spielt eine wesentliche Rolle
Seit Anfang 2002 ist bundesweit das Gewaltschutzgesetz in Kraft. Damit kann eine Frau unter anderem ihren prügelnden Mann oder Freund in akuten Gewaltsituationen von der Polizei aus der Wohnung weisen lassen. Nach Angaben der Polizei setzten die Hamburger Beamten bis Ende Mai knapp 450 gewalttätige Männer vor die Tür. In Berlin wurden seit Jahresbeginn nach Polizeiangaben vom Mittwoch 275 prügelnde Ehemänner oder Lebenspartner von der Polizei zeitweise aus ihrer Wohnung gewiesen. Ein Drittel der Männer nahm die Hamburger Polizei mit in Gewahrsam – «meistens zur Ausnüchterung», sagt der Leiter für Grundsatzfragen in der Kriminalprävention, Peter Mähl.

An den Pranger gestellt
«Zum ersten Mal leiden die Männer selber unter ihrer Gewalt – sie verlieren, was ihnen wichtig ist – ihre Frau und ihre Wohnung», sagt Hans-Jürgen Wielsch von der Beratungsstelle «Männer gegen Männer-Gewalt». Plötzlich müsse sich der Mann ein neues Dach über dem Kopf suchen, wenn auch zunächst nur für einige Tage. Außerdem muss er sich vor seinem sozialen Umfeld rechtfertigen: Nachbarn und Kollegen gucken neugierig, wenn der Mann mit Sack und Pack das Haus verlässt oder unrasiert bei der Arbeit erscheint. «Die häusliche Gewalt wird endlich öffentlich», sagt Mähl. Schließlich handele es sich nicht um Familienzankereien, die niemanden sonst etwas angehen.

Merkzettel mit Beratungsstellen
«Für die Kollegen ist das neue Gesetz eine Erleichterung. Im Gegensatz zu früher müssen sie heute nicht mehr unverrichteter Dinge das Feld räumen», sagt Mähl, «sie haben eine gesetzliche Handhabe, mit der sie verhindern können, dass der Mann gleich wieder zuschlägt, wenn sie weg sind.» Sowohl für das Opfer als auch für den Täter haben die Beamten Merkzettel dabei, auf denen Beratungsstellen aufgelistet sind.

Die Wegweisung gilt in Hamburg für zehn Tage. «Das ist die Zeit, die so eine traumatisierte Frau braucht, um zu sich zu kommen», so Mähl. Außerdem muss sich das Opfer überlegen, wie es weitergehen soll. Wenn sie will, dass der Mann ihr die Wohnung überlässt, so kann sie einen Antrag beim Familiengericht stellen. Dann verlängert sich das Betretungsverbot, bis das Gericht entschieden hat.

Von 50 Frauen kennt nur eine das neue Recht!
Das Ende der Gewalt hat das Gesetz sicher nicht beschert. «Bei uns ist es immer noch genauso voll wie vorher», sagt Oya Cüre vom Ersten Frauenhaus in Hamburg. Im Jahr 2001 suchten dort 459 Frauen und Kinder Schutz, bis Mitte Juni dieses Jahres waren es schon wieder 220. Die meisten hätten Angst, zu Hause zu bleiben, weil der Mann wieder kommen könnte. Tatsächlich schritt die Polizei in über 40 Fällen ein, in denen sich die Männer über das Verbot hinwegsetzten und trotzdem zurück in die Wohnung kamen. Auch aus anderen Gründen ziehen viele Frauen vor, selber zu gehen: Sie werden im Frauenhaus beraten und treffen Frauen mit ähnlichen Problemen.

«Von 50 Frauen, die zu uns kommen, kennt nur eine das Wegweisungsrecht», sagt Jutta Franke vom Zweiten Frauenhaus. Für sie steht der Grund hierfür fest: «Wir bräuchten Interventionsstellen zur Beratung. Aber die neue Regierung hat das blockiert.» Da die Gelder für Frauenberatungsstellen gekürzt worden seien, könnten sie diese Leistung nicht auch noch übernehmen. Trotzdem begrüßt Franke das Gesetz: «Früher haben die Männer oft Chaos angerichtet zu Hause. Jetzt können die Frauen durchatmen – ob zu Hause, oder hier bei uns.»

Foto: Securitel
17.07.02 Nadine Schwede/ Matthias Hieber

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