Die Spitze des Eisbergs: Erfolge der Web-Fahnder

Immer öfter schlagen die Fahnder zu. In den vergangenen Monaten machten mehrere groß angelegte Durchsuchungsaktionen Schlagzeilen. Wenn auch die Zahl der beschlagnahmten Dateien, Videos und Fotos mitunter gigantisch anmutet – die Ermittler machen sich nichts vor: Es ist nur die Spitze vom Eisberg. Über elf Millionen kinderpornografische Bilder – so wird vermutet – schlummern im World Wide Web. Da ist jede Festnahmeaktion ein Tropfen auf den heißen Stein. Andererseits: Jedes Mädchen, jeder Junge, der aus den Klauen brutaler Kinderschänder gerettet wird, ist die Mühe wert.

Hinweis vom FBI
Brandenburg im Mai 2001: Das FBI macht die deutschen Behörden auf einen 52-jährigen Potsdamer aufmerksam. Nach Erkenntnissen der US-Bundeskriminalamts soll es sich um Kinderpornohändler handeln. Und tatsächlich: Bei der Durchsuchung seiner Wohnung finden die deutschen Polizisten etwa 2.000 Kinderporno-Fotos. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Internet-Kriminalität in Cottbus lässt den Mann festnehmen. Wegen des Verdachts der Erstellung und Verbreitung von Kinderpornografie kommt er in U-Haft. Für die Aufnahmen soll er ein achtjähriges Mädchen und dessen zehnjährigen Bruder aus der Nachbarschaft missbraucht haben.

Keine Kindermädchen
Bad Soden im April 2002: Uniformierte Beamte und Ermittler des hessischen Landeskriminalamts stürmen in die Räume eines Internet-Providers im Taunus. Die „Besucher“ legen den Computer-Server lahm. Über ihn werden seit einiger Zeit Kinderpornos im Internet bereit gestellt. Seriöse Provider nehmen den Kinder- und Jugendschutz ernst und sperren pornografische Internetangebote. Nicht so die Web-Dienstleister aus Bad Soden. Offen haben sie sogar in einschlägigen Newsgroups und Chats geworben: „Wir spielen nicht Kindermädchen!“ Die Kunden der Firma zahlten eine monatliche Pauschale und bekamen dafür Zugang zu den Kinderpornos – so die polizeilichen Ermittlungen.

Auf dem Server der Firma – er steht bei einer Computerfirma in Darmstadt – stellen die Fahnder 1,6 Terrabyte Daten fest – so viel, wie auf 40 handelsübliche Festplatten passt. Ein Großteil des Speicherplatzes ist mit dem angebotenen Foto und Videomaterial belegt. Kistenweise nehmen die Beamten auch Videokassetten, Disketten und CDs mit. Auch darauf pornografische Darstellung, die offenbar noch ins Netz gestellt werden sollten.

Milde für den „Porno-Jäger“
Frankfurt im April 2002: Ein Richter am Amtsgericht lässt Gnade vor Recht ergehen. Der Angeklagte kommt mit 1.350 Euro Geldstrafe davon. 1.400 Bilddateien mit kinderpornografischen Darstellungen waren bei ihm gefunden worden. Der Richter glaubte dem Computerfachmann, dass er mit dem Herunterladen der Fotos die Kinderpornografie im Web bekämpfen wollte. Als Vorsitzender eines Vereins, der sich den Kampf gegen Kinderpornos auf die Fahnen geschrieben hatte, hatte er, wie er beteuerte, doch nur Beweismaterial gegen die Vertreiber gesammelt. Im Sommer 1999 war ihm die Kripo auf die Schliche gekommen. Die Beamten hatten seine Datei-Sammlung sichergestellt und ihm ernste Konsequenzen prophezeit. Für den 42-Jährigen brach damals eine Welt zusammen. Er trat als Vereinsvorsitzender zurück und überließ die Ermittlungen fortan der Polizei.

„Unglaublich abstoßend!“
Westjütland im April 2002: Nach internationalen Ermittlungen sprengt die dänische Polizei einen Kinderporno-Ring. Was die Beamten dort sicherstellen, fassen sie in zwei Worten zusammen: „Unglaublich abstoßend.“ Es gelingt, die Produzenten der Bilder dingfest zu machen: ein deutsches Ehepaar. Es hat seine eigene Tochter – elf Jahre alt – zur Herstellung des pornografischen Materials missbraucht. In der Wohnung in RingkØbing und in zahlreichen anderen durchsuchten Räumen finden sich Hinweise darauf, dass mit den Bildern ein weltweiter Tauschhandel betrieben wurde. Für die Fahnder besonders erschütternd: Fotos von dreijährigen Kindern – aufgenommen bei sexuellen Handlungen mit und an Erwachsenen.

Riesenprofit
August 2001 in den USA: Ein amerikanisches Gericht verurteilt einen Geschäftsmann zu lebenslanger Haft. Seine Einnahmequelle: Kinderpornografie. Auf sage und schreibe 300 Seiten hielt er Fotomaterial der übelsten Sorte bereit. Weltweit klickten Interessenten die Seiten an und luden Bilder auf ihre Rechner – gegen harte Dollars, versteht sich. Abgerechnet wurde per Kreditkarte. Umsatz: über 5,5 Millionen Dollar.

Die Ermittlungen gegen den Firmenchef haben weitreichende Folgen. In aller Welt taucht die Polizei nun bei seinen Kunden auf. Nach umfangreichen Vorermittlungen initiiert auch das BKA im Spätsommer 2002 bundesweite Durchsuchungsaktionen. 47.000 Datenträger und 25.000 Videos sichergestellt. 1.400 Verdächtige müssen sich demnächst vor den Gerichten verantworten – darunter auch ein Bürgermeister aus der Oberpfalz und sein 17-jähriger Sohn.

Krankhaft und geldgierig
Dezember 2002 in Münster: Ein 41-jähriger Westfale wird zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er gilt als einer der Köpfe eines internationalen Händlerrings in Sachen Kinderpornografie. Die 31 Mitglieder umfassende Bande war im März 2002 nach einer großen Fahndungs- und Durchsuchungsaktion in elf Ländern festgenommen worden. Allein in der Wohnung des Angeklagten waren über 1.000 Fotos und 190 Videosequenzen beschlagnahmt worden. Darauf zu sehen: Mädchen von sechs bis zehn Jahren bei Sex-Praktiken von „unvorstellbarer Grausamkeit“, wie es der Staatsanwalt formulierte. Ein Gutachter attestierte dem bereits einschlägig vorbestraften 41-Jährigen krankhafte Neigungen. Ohne Behandlung – so der Experte – seien nach der Haftentlassung neue ähnliche Straftaten zu erwarten. Der Verurteilte verbüßt seine Strafe in der geschlossenen Psychiatrie.

Prominenz auf der Liste
Januar 2003 in London: Einer der prominentesten Zeitgenossen, die unter Pornografie-Verdacht stehen, ist der „Who“-Gitarrist Pete Townshend. Im Januar 2003 wird der 57-jährige Rockmusiker von der britischen Polizei festgenommen. Sein Name findet sich auf einer Liste mit etwa 7.000 Engländern, die angeblich amerikanische Kinderporno-Seiten abgerufen und Fotos heruntergeladen haben. Die Liste stammt vom FBI. Townshend räumt den Vorwurf ein. Allerdings – so der Musiker – habe er sich damit auf eine geplante Kampagne gegen Kindesmissbrauch vorbereitet.

Fotos: Rüdiger Wellnitz

20.03.2003  wel