Letzter Akt eines Agententhrillers

Top-Spionin reist vor Ende der Haftzeit in ihr Heimatland aus

Stuttgart/Karlsruhe (dpa). Einer der spektakulärsten Spionagefälle seit dem Mauerfall nimmt eine unerwartete Wendung: Die russische Top-Agentin Heidrun Anschlag, im Sommer 2013 zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, hat Deutschland vorzeitig in Richtung Heimat verlassen dürfen. Ihr Ehemann, den das Oberlandesgericht Stuttgart zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilte, bleibt allerdings weiter in Haft, wie eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft angab. Die beiden Russen hatten rund 25 Jahre ein filmreifes Doppelleben geführt. Nach Überzeugung des Gerichts lieferten sie Hunderte Dokumente über EU und Nato an den russischen Geheimdienst SWR.

Der Generalbundesanwalt habe mit Blick auf die Ausweisung der Verurteilten von der weiteren Vollstreckung abgesehen, sagte eine Sprecherin in Karlsruhe. Paragraf 456a der Strafprozessordnung mache den Schritt möglich. Die Frau habe die Hälfte der Strafe verbüßt. Weitere Angaben machte die Sprecherin nicht. Um freizukommen, musste Anschlag laut «Spiegel» ungefähr eine halbe Million Euro bezahlen. Das hatte das Oberlandesgericht Stuttgart ihr und ihrem Mann auferlegt. Die Summe entspricht dem geschätzten Agentenlohn der beiden, hinzu kommen Prozesskosten. In Sicherheitskreisen hieß es dem Magazinbericht zufolge, es sei «nicht anders vorstellbar», dass Moskau das Geld gegeben habe.

Ein Realität gewordener Agententhriller
Laut einem früheren Bericht der Moskauer Zeitung «Kommersant» strebte die russische Führung einen Agentenaustausch an. Bis zur Festnahme lebte das Ehepaar, das österreichische Pässe als Heidrun und Andreas Anschlag ausweisen, im baden-württembergischen Balingen und im hessischen Marburg. Die wahren Identitäten der beiden kannte selbst das Gericht bis zum Urteil nicht.

Die nach Moskau übermittelten Dokumente befassten sich unter anderem mit dem Afghanistaneinsatz und der Strukturreform der Nato. Das Duo versteckte USB-Sticks in Erdlöchern und übermittelte geheime Botschaften in Kommentaren zu Fußballervideos auf der Internetplattform Youtube. Hinweise, unter anderem aus den USA, brachten die Ermittler schließlich auf ihre Fährte.

23.11.2014 Ta