(„XY gelöst“ vom 9. Februar 2022)
Eine Frau verschwindet spurlos. Schon bald spricht vieles dafür, dass ihr früherer Lebensgefährte etwas damit zu tun haben könnte. Doch die Polizei hat nichts gegen ihn in der Hand. Erst nach zweieinhalb Jahren gelingt es, den Mann des Mordes zu überführen.
Anfang Oktober 2017: Ivonne R. zieht in ihre neue Wohnung in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein. Seit Kurzem hat sie einen neuen Freund, der rund 300 Kilometer entfernt in Berlin lebt. Von ihrem vorherigen Lebensgefährten hat sie sich erst wenige Monate zuvor getrennt.
Stopp an der Bushaltestelle
Am 25. Oktober 2017 bittet ihr Ex-Lebensgefährte die 39-Jährige, am Abend bei ihm vorbeizukommen, um wichtige Papiere zu unterschreiben. Am nächsten Morgen fehlt von Ivonne jede Spur. Der Ex-Lebensgefährte teilt der Polizei mit, ihr sei am Abend übel geworden und er habe sie mit ihrem Wagen nach Hause fahren wollen. Doch am Ortsrand, auf Höhe einer Bushaltestelle sei sie ausgestiegen, um den Rest des Wegs zu Fuß zu gehen. Danach habe er sie nicht mehr gesehen.
Die Polizei sucht intensiv nach der Vermissten. Und sie nimmt den früheren Lebensgefährten unter die Lupe, den sie verdächtigt, etwas mit dem Verschwinden von Ivonne zu tun zu haben. Wie sich herausstellt, soll er am Ende ihrer Beziehung versucht haben, sie massiv zu kontrollieren. Zudem soll er in früheren Beziehungen bereits gewalttätig geworden sein. Doch Beweise für die Schuld des Mannes lassen sich nicht finden.
Rätsel um Handy der Vermissten
Besonders rätselhaft: Das Handy der 39-Jährigen war in der besagten Nacht in der Nähe ihrer Wohnung eingeloggt. Die Polizei findet es aber nicht. Am 14. Januar 2018 – mehr als zweieinhalb Monate später – wird es dann aber neben der Bushaltstelle entdeckt. Für die Polizei gibt es nur eine Erklärung: Der Ex-Lebensgefährte muss es dort abgelegt haben, um die Ermittlungen in die Irre zu führen. Aber auch dafür gibt es keinen Beweis.
Am 19. September 2018 berichtet „Aktenzeichen XY… ungelöst“ über den rätselhaften Fall. Mit Erfolg: Es meldet sich ein Autofahrer, der glaubhaft versichern kann, das Auto der Vermissten an der Bushaltestelle gesehen zu haben. Am Steuer: der Ex-Lebensgefährte. Die Frau allerdings habe er nicht gesehen. Die Staatsanwaltschaft Lübeck sieht sich in ihrer Theorie bestätigt und beschließt, Anklage wegen Mordes zu erheben.
Landwirte finden Tote
Noch während die Anklage in Vorbereitung ist, entdecken Landwirte eine in Müllsäcke verpackte Leiche in einem abgelegenen Wäldchen. Die Tote ist Ivonne. Daneben liegt eine Jacke mit der DNA des Tatverdächtigen.
Am 24. Oktober 2019 beginnt vor dem Landgericht Lübeck der Mord-Prozess. Jetzt geht der Angeklagte in die Offensive: Er gibt zu, seine frühere Lebensgefährtin während eines Streits in rasender Wut erwürgt zu haben – neben dem Auto an der Bushaltestelle. Er gibt an, ein Blackout gehabt zu haben. Die Verteidigung plädiert daraufhin auf Totschlag. Doch der Staatsanwaltschaft gelingt es, diese Version zu entkräften.
Lebenslänglich
Auch das Gericht kommt letztlich zu dem Schluss, dass der Mann Ivonne R. gezielt in sein Haus gelockt hatte, um sie zu töten. Dann fuhr er in ihrem Auto zur Bushaltstelle, wo er für eine Nacht das Handy der Toten deponierte, bevor er ihre Leiche in dem Waldstück versteckte.
Zweieinhalb Jahre nach dem Tod von Ivonne R. wird das Urteil gesprochen. Wegen heimtückischen Mordes aus niederen Beweggründen muss ihr Ex-Lebensgefährte lebenslang hinter Gitter.
Kriminalpsychologin Lydia Benecke rät:
Durchschnittlich jeden dritten Tag stirbt eine Frau in Deutschland durch die Hand ihres Lebensgefährten oder Ex-Partners. In diesem Fall wollte der Täter die Trennung nicht akzeptieren.
- Wenn Gewalt in einer Beziehung eine Rolle spielt, im Rahmen einer Trennungssituation Drohungen ausgesprochen werden oder Stalking-Verhalten gezeigt wird, sollte man ein letztes Vier-Augen-Gespräch vermeiden.
- Frauen, die sich in einer solchen Situation trennen möchten, können bei Frauenberatungsstellen Tipps und Unterstützung bekommen.
- Muss die Trennung schnell und überhastet vollzogen werden, sind Frauenhäuser die erste Anlaufstelle.