Zwischen Emotion und Paragraf

Doppelfolge des XY-Podcasts zum Thema «Femizid»

August 2016: Im Flur ihres Hauses wird die Münchner Architektin Jingmei Tsai (Name geändert) von ihrem Ex-Freund niedergestochen. Sie hatte ihn bereits sieben Jahre zuvor verlassen. Jahrelang hatte er sie nach der Trennung gestalkt und bedroht, bevor er sie tötete.

Die Tat des Ex-Freundes ist leider kein tragischer Einzelfall: Laut Bundeskriminalamt wurden hierzulande allein 2023 rund 360 Frauen und Mädchen Opfer eines vollendeten Tötungsdelikts – beinahe eine weibliche Person pro Tag. Bei mehr als 40 Prozent war der Täter ein ehemaliger oder aktueller Lebensgefährte des Opfers. Die Zahlen zeigen: Das Thema «Femizid» geht alle an. Doch bis heute tun sich Wissenschaft und Justiz schwer, geschlechtsspezifische Tötungen von Frauen zu definieren und zu bewerten. Warum das so ist, beleuchtet diese zweiteilige Spezialfolge.

Ermittlungen und Studien
Zu Gast im Aufnahmestudio: Oberstaatsanwältin Katja Mühlbauer. Bei der Staatsanwaltschaft München I leitet sie die Abteilung für Kapitaldelikte. Sie berichtet von den Ermittlungen im Fall Jingmei Tsai.

In einem Interview stellt Kriminologe Florian Rebmann außerdem erstmals Ergebnisse aus einer neuen Studie unter der Leitung von Prof. Jörg Kinzig vor. Dafür wurden rund 300 Fallakten von «Femiziden» empirisch untersucht. Das Forscherteam ist dabei den Fragen nachgegangen, welche Risiko-Faktoren es bei solchen Taten gibt und was Strafverfolgungsbehörden und Gesellschaft tun können, um sie zu verhindern.

Gefährliche Signale der Justiz 
Das Landgericht München verurteilte den Ex-Freund wegen Mordes. Doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf; die niedrigen Beweggründe seien nicht eindeutig gegeben. Ein Urteil, das selbst erfahrene Juristen fassungslos macht. Der zweite Teil dieses Specials erlaubt einen Blick hinter die Kulissen solcher Entscheidungen. Richter Dr. Laurent Lafleur vom Oberlandesgericht München erläutert die  aktuelle Gesetzeslage in Deutschland. Er geht auf die gesellschaftliche Diskussion um ein weiteres Mordmerkmal im Strafgesetzbuch ein. Und er erklärt, warum gerade sogenannte Trennungstötungen in der Rechtsprechung oft unterschiedlich bewertet werden. Aus seiner Sicht senden einige BGH-Urteile gefährliche Signale.

Im Interview der zweiten Folge: Florian Rebmann vom Kriminologischen Institut der Eberhard-Karls-Universität Tübingen.  Als akademischer Mitarbeiter war er an einer großangelegten Studie zu «Femiziden» in Deutschland beteiligt. Er geht näher auf die Definition von «Femiziden» und die misogynen Motive der Täter ein.
Außerdem erläutert der hessische Justizminister Christian Heinz im O-Ton, wie die Fußfessel nach spanischem Modell Opfer präventiv vor Tötungsdelikten schützen kann.

XY-Podcast #92 
XY-Podcast #93

Foto:  Gerd Altmann / Pixabay

21.11.25