Aktiv hinter den Kulissen

War die Auflösung der Hannoveraner Hells Angels nur ein Schachzug?

Hannover (dpa). Wachsender Druck von Politik und Polizei veranlasste die Hells Angels in Hannover vor einem Jahr zur Auflösung ihres bundesweit tonangebenden Ortsclubs. Vorangegangen war ein spektakulärer Einsatz von GSG9-Spezialkräften im Anwesen von Hannovers Hells Angels-Präsidenten Frank Hanebuth. Einsatzkräfte seilten sich von einem Hubschrauber ab, rammten Tore auf und erschossen einen Hund. 

Was wie eine Kapitulation der Rocker wirken konnte, war wohl nur ein geschickter Schachzug. An anderen Orten im Norden formierten sich die Rocker neu. Von einem Ende der  Rockerkriminalität kann nach Einschätzung des Landeskriminalamts (LKA) keine Rede sein.

«Momentan ist es eher ruhig, was nicht bedeutet, dass die Hells Angels von der Bildfläche verschwunden sind», sagt LKA-Sprecherin Nadine Bunzler. Die Rocker guckten, wo sie sich stärken könnten. «Wir sind definitiv auf der Hut und haben einen Blick auf die Hells Angels und andere Rockergruppen.» Neugründungen von Ortsclubs gab es im Bereich Wilhelmshaven, Wolfsburg, Helmstedt/Magdeburg und Göttingen.

Neugründungen im Umland
Nach Erkenntnissen der Polizei Hannover bildete sich im Umfeld der Landeshauptstadt außerdem eine Ortsgruppe mit der Bezeichnung «Badland», ein Clubhaus gebe es noch nicht. Die Zahl der Mitglieder sei zwar geringer, bei den meisten handele es sich aber um Ehemalige aus Hannover. Einige von ihnen hätten sich auch anderen Ortsclubs angeschlossen, heißt es.

Gerade Hannovers Ausgeh- und Rotlichtviertel Steintor hatten die Hells Angels lange als Heimatbasis betrachtet. An etlichen Etablissements waren sie beteiligt. «Das häufig provokante Verhalten der Hells Angels, die sich offenbar als eine Art Ordnungsmacht gesehen haben, ist nicht mehr zu verzeichnen», stellt die Polizei nun fest. Die verstärkte Präsenz der Beamten habe zu einer Normalisierung der Lage geführt – vorübergehend hatte die Polizei vor Ort sogar eine Wache in einem Container eingerichtet. «Die Polizei erkennt derzeit keine Gruppierungen, die in den Bereich hineindrängen oder die Position der Hells Angels einnehmen», sagt ein Sprecher.

Zweigstelle auf Mallorca?
Ohne das Deckmäntelchen ihres Clubs falle den Beteiligten ihre verharmlosende Eigenwerbung schwieriger, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Mildahn. Ohne öffentliche Veranstaltungen, bei denen die Rocker zusammenkommen, wird deren Beobachtung aber auch für die Polizei schwieriger. Durchgegriffen wurde jüngst indes in Bremen, wo die Hells Angels sich zunächst aufgelöst und dann neu gegründet hatten. Nach einer Massenschlägerei mit verfeindeten Motorradrockern der Mongols wurden die Hells Angels vom Innensenator Anfang des Monats verboten.

Einige Hells Angels aus Hannover sind nach Polizeierkenntnissen inzwischen im Ortsclub auf Mallorca involviert, über Aktivitäten von Hanebuth dort wurde spekuliert. Zwischenzeitlich geriet der Rockerboss als mutmaßlicher Drahtzieher eines Auftragsmordes ins Visier der Kieler Justiz, ein Aussteiger hatte ihn vor Gericht bezichtigt. Die Polizei suchte vergeblich nach einer angeblich in einer Lagerhalle einbetonierten Leiche. Die Ermittlungen gegen den Rockerboss wurden schließlich mangels Beweisen eingestellt. Dieser fordert nun Schadenersatz von der Polizei – bei der Razzia bei ihm zu Hause hätten die Beamten unnötigen Schaden angerichtet und seinen Hund erschossen.

30.06.2013 Ta