Amoklauf bei der Jugendweihe

Lebenslang für Tötung einer Unbeteiligten

Neuruppin (dapd). Ursprünglich sei der 67-Jährige uneingeladen bei der Feier aufgetaucht, weil er sich selbst vor den Augen seiner Schwester töten wollte, argumentierte sein Anwalt Uwe Meyer. Zu DDR-Zeiten sei der damals 19-Jährige wegen Republikflucht verurteilt worden und habe sich seitdem in der BRD aufgehalten. Seine Schwester sei damals drei Jahre alt gewesen, und als sie sich nach der Wende wieder getroffen hätten, seien die beiden eine Liebesbeziehung eingegangen.

Nachdem sich die Frau nach 17 Jahren Beziehung «verständlicherweise» von seinem Mandanten getrennt habe, habe dieser «geradezu rastlos» versucht, den Aufenthaltsort seiner Schwester herauszufinden.

Nach dreijähriger Suche habe er gehofft, die Schwester bei der Jugendweihefeier anzutreffen, sagte Meyer. Als er bemerkt habe, dass sie nicht da sei, habe er dem Bruder mit der Waffe drohen und ihn so dazu bewegen wollen, den Aufenthaltsort zu verraten. Treffen habe er ihn nicht wollen, sagte er.

Der Schuss war gezielt
Gegen diese Version spreche, dass der Angeklagte die Waffe direkt auf den Kopf des Bruders gerichtet habe, sagte Richter Wegner. Außerdem habe er nach der Tat keinerlei Reue gezeigt und die Anwesenden sogar davon abgehalten, per Telefon einen Notarzt zu alarmieren. Der Bruder habe den Schuss nur «wie durch ein Wunder» überlebt, betonte Wegner.

Bereits zuvor habe der Täter laut Zeugenaussagen mehrmals damit gedroht, verschiedene Familienmitglieder umzubringen, sagte Staatsanwalt Kai Clemens in seinem Plädoyer. Daher gehe er davon aus, dass der 57-Jährige eigentlich einen Amoklauf auf der Familienfeier geplant hatte. Dies erkläre auch, warum er 16 Schuss Munition bei sich und 24 weitere Patronen im Auto hatte.

Zahlreiche Vorstrafen
Der Täter habe zudem eine «ausgeprägte kriminelle Energie», was an seinem Vorstrafenregister erkennbar sei. In diesem ist von zahlreichen Delikten gegen die Straßenverkehrsordnung, aber auch von Nötigung, Hausfriedensbruch, Freiheitsberaubung und Körperverletzung die Rede. Der 57-Jährige habe einen Besitzanspruch an seine Schwester gehabt und sie jahrelang mit Androhung von Waffengewalt und Schlägen an sich gebunden, sagte Clemens.

Der Angeklagte selbst, der seit der Tat in Haft ist, nahm das Urteil weitgehend regungslos entgegen. «Ich hatte nie die Absicht, jemanden zu verletzen oder gar zu töten, außer mich selbst», waren seine letzten Worte vor dem Urteilsspruch.

15.12.2010 dv