Hamburg (dv). Er wollte seine Freundin verteidigen und bezahlte dafür beinahe mit dem Leben. Der 40-jährige Matthias R. ist am U-Bahnhof Niendorf-Markt (Niendorf) von zwei Männern ins Koma geprügelt worden.
Sie hatten einen schönen Abend. Jetzt sitzen R. und seine gleichaltrige Freundin auf einer Bank auf dem Bahnsteig und warten auf ihren Zug. Alles scheint friedlich – das steuern kurz vor Mitternacht zwei Männer auf das Pärchen zu. Sie belästigen und beleidigen die Frau.
Ihr Freund will sie verteidigen und geht auf die Täter zu. Die jungen Männer fackeln nicht lange – sie schlagen und treten. Nach einem Fausthieb gegen den Kopf sackt Matthias R. bewusstlos zusammen und kracht mit dem Kopf auf den Boden. Panik ergreift die Schläger, sie flüchten.
Der 40-Jährige liegt auf der Intensivstation. Er hat mehrere Schädelbrüche und schwebt noch immer in Lebensgefahr. Seine Freundin erlitt eine Verletzung am Arm und einen schweren Schock. Sie wurde von Psychologen betreut.
Unterdessen haben die Ermittler Bilder aus der Überwachungskamera des Bahnhofs gesichert. Diese sollen in den kommenden Tagen veröffentlicht werden.
Abschreckung funktioniert eingeschränkt
Wieder mal ein Fall von ungezügelter Brutalität auf einem Bahnsteig. Es drängt sich die Vermutung auf, diese Art der Kriminalität habe überdurchschnittlich zugenommen. Ist das so?
Nein, sagt der Sozialwissenschaftler Bernd Holthusen. Nach dem Fall in München-Solln (da hatten Jugendliche einen Mann zu Tode geprügelt) sei die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sensibilisiert. Laut Statistik haben aber die gemeldeten Delikte nicht nennenswert zugenommen. Dennoch sieht der Experte Handlungsbedarf.
„Die Abschreckung mit dem Gesetzbuch funktioniert allenfalls sehr eingeschränkt. Die Übergriffe entstehen meist ungeplant aus einer eskalierenden Situation heraus, in der der Jugendliche nicht daran denkt: ‚Oh, das könnte mir jetzt Jugendarrest oder Sozialstunden einbringen.‘ Sie gehen ja davon aus, dass man sie eben nicht erwischt. Oft spielen Alkohol oder Drogen eine Rolle, was die Möglichkeit der Reflexion zusätzlich einschränkt und die Hemmschwellen herabsetzt.“
Was ist also zu tun?: „Was am ehesten hilft, ist die Erhöhung des Entdeckungsrisikos“, sagt Holthusen „Insofern können Videokameras ein sinnvolles Mittel zur Abschreckung sein.“
31.05.2010 dv