Das Dilemma ist nicht aufzulösen

Der Innenminister warnt vor einem Terroranschlag - wie reagiert die Presse?

Berlin (dv). Die Terrorwarnung durch den Innenminister beschäftigt am heutigen Donnerstag die Kommentatoren der deutschen Zeitungen. Hier ein paar Auszüge:

Was will der Minister?
Thomas de Maizière ist der 17. Innenminister der Bundesrepublik – und er war bisher anders als seine unmittelbaren Vorgänger: kein Bundesangstmachminister; also keiner, der alle drei Tage schärfere Gesetze fordert und keiner, der mit ständigen Terrorwarnungen an die Öffentlichkeit geht. Ihm war bisher das Dauergeraune über die wechselnden Aggregatzustände des islamistischen Terrorismus zuwider. Deswegen hat er, bald nach seinem Amtsantritt, seinen Staatssekretär entlassen.
Gerade weil dieser Minister de Maizière bisher nicht zu denen gehört, die wichtigtuerisch daherreden, ist nun seine Warnung vor einem bevorstehenden Anschlag umso wirkungsvoller. Ob die Warnung wirklich sinnvoll ist? Man muss sich da vorerst auf einen Minister verlassen, der bisher einer plakativen Politik nicht verdächtig war.“ 
(Süddeutsche Zeitung).

„Das Kalkül de Maizières ist vermutlich ein anderes: Der Minister hat auch angedeutet, dass es gut platzierte Informanten gibt und die Sicherheitsbehörden entsprechenden Spuren nachgehen. Die Hoffnung ist wohl, dass mögliche Anschlagsplaner nervös werden und Fehler machen.“ 
(Nürnberger Nachrichten).

Was tun?
„Die offene Gesellschaft – gewappnet gegen die Feinde der Freiheit. Stärke zeigen, nicht einschüchtern lassen, auf keinen Fall unsere freiheitliche Lebenskultur einschränken! Diese drei Mahnungen von Thomas de Maizière sind mindestens so wichtig wie seine Anschlagswarnung. Sie nicht zu beherzigen hieße, den Terroristen einen Erfolg einzuräumen.“ 
(Mitteldeutsche Zeitung).

„Kann es angesichts der Sauerland-Gruppe und der Anschläge auf Züge in Madrid sowie auf die Londoner U-Bahn vor einigen Jahren zuviel Vorsicht geben? Nein. Kann es nicht. El Kaida hat die Macht und die Mittel, überall auf der Welt zuzuschlagen.“ 
(Westdeutsche Zeitung).

„Wir dürfen uns nicht irremachen lassen. Wenn wir aus Angst vor Anschlägen nicht mehr auf die Weihnachtsmärkte gehen, wenn wir Großveranstaltungen meiden, zum Feiern nicht mehr auf Bälle gehen – dann hat die Teufelsbrut aus den Terrorlagern am Hindukusch ein Ziel schon erreicht: Wir sollen vor denen Angst haben.“ 
(Bild).

Aufmerksamkeit, aber keine Hysterie!
Unbefriedigend bleibt, dass die mitgeteilten Informationen dem Bürger im Alltagsverhalten wenig nützen. Soll er nicht mehr fliegen? Vom Zug aufs Auto umsteigen? Kaufhäuser meiden? Das Dilemma ist nicht aufzulösen.“ 
(Märkische Oderzeitung).

„Aufmerksam sein – ja. Ein Blick auf ein herrenloses Gepäckstück kann nie schaden. Aber wenn sich jeder zum Terrorfahnder ernennt, ist die friedliche Vorweihnachtsstimmung auch dahin.“ 
(Ostsee Zeitung).

Foto: Dieter Poschmann / pixelio.de

18.11.2010 dv