Im Juli 1999 wurde zum ersten Mal der Versuch unternommen, via Fernsehen ein für Kinderpornografie missbrauchtes Mädchen zu identifizieren. Voraussetzung, um an den oder die Täter heran zu kommen. Den Stein ins Rollen gebracht hatte in diesem Fall ein Reporter der Wiener Kronenzeitung. Er hatte im Internet nach Spuren eines vermissten österreichischen Mädchens gesucht. Dabei war er auf eine Reihe von Fotos gestoßen, die immer dasselbe Mädchen zeigten. Auf einigen Abbildungen meinte der Reporter sogar die Vergewaltigung des Kindes zu erkennen.
Voller Entsetzen schaltete er die Wiener Polizei ein. Anhand der in den Bildern enthaltenen Informationen stand schnell fest: Die Aufnahmen stammten aus der jüngsten Zeit und aus Deutschland. Das Bundeskriminalamt ermittelte weiter. Herkömmliche Methoden hatten keinen Erfolg, da griffen die Beamten zur letzten Möglichkeit: die Öffentlichkeitsfahndung über „Aktenzeichen XY“. Sie betraten damit Neuland.
Für die Sendung wurde eines der „harmlosen“ Fotos ausgewählt: das Mädchen an einer Tischtennisplatte vor einem Betongebäude – vielleicht eine Schule. Die Resonanz war enorm. Über 100 Hinweise gingen bei der Polizei und im „XY“-Studio ein. Allerdings nicht so sehr zu dem abgebildeten Mädchen als zum Hintergrund. Zwei übereinstimmende Hinweise führten die Ermittler dann tatsächlich in eine baden-württembergische Schule. Dort erkannte man das Mädchen auf dem Foto: eine zehnjährige Schülerin. Die Fahnder waren fast am Ziel.
Der Täter: ein Freund der Familie
Die Eltern der Zehnjährigen fielen aus allen Wolken, als die Kripo sie aufklärte: „Jemand missbraucht Ihre Tochter – und das schon seit einiger Zeit.“ Der „Jemand“ war schnell ausgemacht: ein Urlaubsbekannter, mit dem man schon länger befreundet war – 45 Jahre alt, verheiratet, Spediteur in Niedersachsen. Die Durchsuchung seiner Wohnung förderte fast 14.000 kinderpornografische Aufzeichnungen zu Tage. 300 Fotos hatte der Mann selbst geknipst. Sie zeigten das Mädchen aus Baden-Württemberg – zum größten Teil bei sexuellen Manipulationen.
Seit 1997 hatte er das Mädchen missbraucht. Durch Geschenke und Versprechungen machte er die Kleine gefügig. Skrupellos nutzte er das Vertrauen aus, das ihm die Familie des Mädchens entgegenbrachte. Bei gemeinsamen Reisen entstanden heimlich „Urlaubsfotos“ der besonderen Art. Wie sich herausstellte, bewahrte „XY“ das Mädchen noch rechtzeitig vor weiteren Martyrien: Der Täter hatte die Kleine eingeladen, die kommenden Sommerferien bei ihm zu verbringen …
Im Januar 2000 wurde der Mann wegen schwerer sexuellen Misshandlung eines Kindes zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Sein Opfer wird seit der Tataufklärung von Psychologen betreut.
Foto: Securitel
20.03.2003 wel