In die Freiheit abgeseilt

In Berlin sorgt die spektakuläre Flucht zweier Häftlinge für Furore

Berlin (dpa). Filmreifer Ausbruch: Mit Hilfe von Bettlaken und Handtüchern sind zwei Häftlinge aus dem Gefängnis Berlin-Moabit geflohen. Nachdem sie Gitterstäbe aufgesägt hatten, seilten sie sich gestern mit ihren Hilfsmitteln ab, wie Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) in Berlin mitteilte. Dann überwanden die Straftäter eine meterhohe Mauer sowie einen Drahtzaun der Justizvollzugsanstalt in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die Männer lösten sogar einen Alarm aus. Dieser sei aber als Fehlalarm eingestuft worden, sagte der Senator. Die Männer sind auch heute noch flüchtig.

Es ist die erste gelungene Fluchtaktion aus der Haftanstalt, einem der bundesweit größten Untersuchungsgefängnisse, seit rund 15 Jahren. Heilmann will eine Untersuchungskommission einsetzen. Es gebe viele offene Fragen. Die Fahndung nach den Geflohenen, deren Alter nicht genannt wurde, läuft mit Hochdruck. Der Senator kündigte zugleich schärfere Sicherheitsvorkehrungen in der Justizvollzugsanstalt an. Heilmann nannte wegen der Suche keine Details. Einer der Männer sei ein verurteilter Straftäter, der bereits länger inhaftiert gewesen sei. Der andere ist laut Senator ein noch nicht verurteilter Verdächtiger. Sie hätten «erhebliche Straftaten» begangen. Das Duo hatte demnach bei gemeinsamen Hofgängen genügend Zeit, die Örtlichkeiten zu erkunden.

Genaue Untersuchung des Falls angekündigt
Die Flucht sei nur durch das Zusammentreffen mehrerer Zufälle möglich gewesen, sagte Heilmann. «Wenn ich es nicht selber gesehen hätte, ich hätte es gar nicht geglaubt.» Er fügte hinzu: «Es muss sich erstens um einen sehr klugen Plan und zweitens um sehr sportliche und begabte Täter handeln.» So hätten beide etwa auf ihrer Flucht ein Gitter aufgedrückt, das möglicherweise nach früheren Bauarbeiten nicht richtig zugeschraubt worden sei. Dies müsse nun ebenso untersucht werden wie die Frage, woher die Männer davon wussten. Bislang gebe es keine Anhaltspunkte, dass bei der Flucht Hilfe aus der Anstalt oder von außen gekommen sei.

Die Kommission soll nach Heilmanns Worten noch in dieser Woche mit der Untersuchung beginnen. Eine Rolle wird dort auch der Alarm spielen. Dabei hat laut Justiz eine Überwachungskamera eine Aufnahme gemacht, auf der der Ausbruch aber nicht zu sehen gewesen sei. «Das ist ein weiterer Zufall, der eigentlich normalerweise so nicht vorkommt», betonte Heilmann. Erst die Verkettung von Unwahrscheinlichkeiten habe die Flucht möglich gemacht. Der Senator bestätigte zudem, dass es in demselben Gefängnis in der Nacht zu gestern einen Todesfall gab, der das Personal beschäftigt habe. Dieser Vorfall hänge aber nicht mit dem Ausbruch zusammen.

Personalmangel mit schuld?
Der Deutsche Beamtenbund Berlin wies darauf hin, dass im öffentlichen Dienst seit Jahren gespart werde und Personal fehle. Womöglich hätte der Ausbruch verhindert werden können, wenn mehr Bedienstete da gewesen wären, sagte der Landesvorsitzende Frank Becker. Auch der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) macht die Personalpolitik der vergangenen Jahre verantwortlich. «Es ist verwunderlich, dass nicht schon viel mehr passiert ist», sagte der Berliner BSBD-Landeschef Thomas Goiny der Nachrichtenagentur dpa. Jahrelang habe es eine massive Überbelegung der Berliner Justizvollzugsanstalten gegeben, und das Personal sei nicht aufgestockt worden. Jetzt gehe die Belegung auf ein normaleres Maß zurück und Personal solle abgebaut werden. «Diese Logik können wir nicht nachvollziehen», klagte Goiny.

Foto: Thomas Kümmerle/pixelio.de

20.05.2014 Ta