Missbrauch: Sieben Jahre für Priester

Er war in der Jugendarbeit tätig

Kassel (dapd). Der groß gewachsene 50-Jährige auf der Anklagebank des Kasseler Landgerichts soll bei Kindern beliebt gewesen sein. Der sozialpädagogisch ausgebildete Priester und Bruder des Prämonstratenser-Ordens war jahrelang in der Jugendarbeit im nordhessischen Fritzlar tätig. Er war Schulpfarrer und er betreute die Ministranten in der katholisch geprägten Kleinstadt. Jetzt muss er für sieben Jahre ins Gefängnis, weil er sechs Messdiener sexuell missbrauchte. Das Kasseler Landgericht sah es als erwiesen an, dass sich der Mann in 155 Fällen an den Jungen verging. Auch habe er Kinderpornografie besessen.

In der Urteilsbegründung skizzierte der Vorsitzende Richter Jürgen Stanoschek das Ausmaß der Taten: «Sie waren eine absolute Vertrauensperson der Kinder», hielt er dem Angeklagten vor. Seine Autoritätsstellung habe der Geistliche bewusst eingesetzt, um seine Ziele zu erreichen. Zwar sei der 50-Jährige sicher dort, wo es nicht zu Übergriffen kam, «durchaus segensreich» in der Jugendarbeit tätig gewesen. «Aber natürlich haben sie da auch die Plattform für ihre sexuellen Neigungen gefunden», betonte der Richter.

Missbrauch mit der Kamera gefilmt
In der mündlichen Verhandlung hatte die Staatsanwältin detailliert geschildert, wie sich der Angeklagte seinen Opfern genähert hatte. Die sexuellen Handlungen wurden dabei als medizinisch erforderlich verbrämt. Er habe den Jungen erklärt, das Stimulieren ihres Genitals bis zum Samenerguss sei notwendig, um Fehlentwicklungen zu erkennen und zu behandeln. Das Filmen der Vorgänge habe der Geistliche mit wissenschaftlichen Anliegen begründet. Die Übergriffe hatten sich zwischen 1992 und 2003 sowohl in kirchlichen Räumen in Fritzlar als auch auf Ferienfreizeiten in Spanien ereignet.

Die Opfer der angeklagten Taten waren unter 14 Jahre alt. Der Richter hielt dem 50-Jährigen vor, er habe sich gezielt Kinder an der Schwelle zur Pubertät herausgesucht, die Orientierung suchten. Einem der sechs Jungen, der unter dem Tod seiner Mutter litt, habe er sich als Tröster angeboten. Einem weiteren, der sportbegeistert war, habe er ein maßgeschneidertes Trainingsprogramm angeboten. Als der Junge zu dem Termin erschien, musste er sich nackt ausziehen und vermessen lassen.

Opfern blieb Vernehmung erspart
Zugunsten des Angeklagten wertete das Gericht, dass für die Zeit nach 2003 keine Übergriffe mehr ermittelt werden konnten. Auch dass er sich geständig gezeigt und der Staatsanwaltschaft selbst die Namen seiner Opfer genannt hatte, wurde ihm positiv ausgelegt. Den jungen Männern sei die Vernehmung vor Gericht erspart geblieben, betonte der Richter. Die Staatsanwältin berichtete, die Vorstellung öffentlich oder vor dem Angeklagten aussagen zu müssen, habe mehreren Zeugen panische Angst bereitet.

27.11.2010 dv