Es erscheint unfassbar: Eine Mutter missbraucht ihr eigenes Kind, quält es jahrelang. Keiner merkt was. Noch immer nimmt die Bevölkerung weibliche Sexualstraftäter nicht wahr. Das Thema wird tabuisiert. Doch es ist bittere Realität. Und seine Ausmaße sind viel größer, als bisher angenommen. Die Kölner Organisation „Zartbitter e.V.“, eine Kontakt- und Informationsstelle gegen sexuellen Missbrauch von Jungen und Mädchen, hat die Erfahrung gemacht: Diese Fälle werden weniger oft angezeigt. Sie geht sogar von bis zu 20 Prozent Täterinnen aus.
In der jährlich herausgegebenen Polizeilichen Kriminalstatistik erscheint die Zahl der von Frauen begangenen Sexualstraftaten relativ gering: Nur etwa 4 Prozent der strafbaren Handlungen werden von weiblichen Tätern verübt.
Doch die Zahlen ergeben ein falsches Bild. Frauen sind häufiger als bisher angenommen auch Täterinnen. Das haben neuere Untersuchungen ergeben.
In fast allen Fällen findet der sexuelle Missbrauch in der Familie statt. Die Täterin ist oft die eigene Mutter. Aber auch andere Familienmitglieder wie Tanten – ebenso wie Nachbarinnen, Babysitterinnen oder Kindergärtnerinnen – kommen in Frage. Auch sind alle sozialen Schichten vertreten.
In der Mehrzahl sind Mädchen die Opfer. Die Altersstruktur der missbrauchten Kinder reicht vom Kleinkind bis zum pubertierenden Jugendlichen.
Schon immer haben Frauen einen engeren und auch körperlich intensiveren Kontakt zu Kindern als Männer. Dies bringt schon ihre klassische Rolle als Mutter mit sich. Dadurch ist der Unterschied zwischen liebevoller, mütterlicher Fürsorglichkeit und übertriebener, ja krankhafter Bemutterung, emotionaler Abhängigkeit und sexueller Missbrauch schwer zu erkennen. Leider – denn letztlich geht es um Machtmissbrauch und eventuell sogar um Gewalt.