Völkermord und Mord

Grauenvoller Prozess in Frankfurt

Frankfurt/Main (dapd). «Wir haben selbst in Afrika ermittelt», sagt Frank Wallenta von der Karlsruher Bundesanwaltschaft. Sie legt dem Ruander das Kommando über zwei weitere ganz ähnl che Massaker in Kirchen seiner Heimat zur Last.

Allein bei diesen drei Massentötungen kamen nach Erkenntnissen der Karlsruher Ankläger mindestens 3.730 Tutsis um, von den Überlebenden werden einige nun in Frankfurt als Zeugen aussagen. Als Bürgermeister einer Kommune soll der damals 37-jährige R. außerdem einen Gemeindebeamten gezwungen haben, Flüchtlingen nicht länger privaten Schutz zu gewähren. Einer der Vertriebenen, auch das will die Bundesanwaltschaft minutiös beweisen, fand gleich darauf den Tod. Außerdem soll sich R. selbst an Pogromen beteiligt haben ? «zum Nachteil der Tutsis», wie es in der Anklageschrift heißt.

Wegen «Völkermords und Mords» wird dem 54-Jährigen nun der Prozess gemacht. Wallenta erläutert, es werde nicht auf Grundlage des 2002 in Kraft getretenen Völkerstrafgesetzbuchs verhandelt, das Verbrechen gegen die Menschlichkeit dem «Weltrechtsprinzip» unterstellt und überall die Verfolgung entsprechender Vergehen ermöglicht, egal wo sie geschahen. «Weil in Frankfurt Taten von 1994 angeklagt sind, gilt der Völkermordparagraf, wie er damals im Strafgesetzbuch stand», korrigiert Wallenta anderslautende Presseberichte.

Neuland für den Staatsanwalt
Beim Genozid im zentralafrikanischen Ruanda starben von April bis Juli 1994 nach UN-Angaben rund 800.000 Menschen, oft wurden sie grausam hingemetzelt. Die meisten Opfer waren Tutsis. Das unter UN-Mandat stehende Tribunal im tansanischen Arusha beendet seine Arbeit 2011, über nicht mal 100 Angeklagte soll dann ein Urteil gefällt sein. Mutmaßliche ruandische Massenmörder werden unter anderem auch in Spanien und Frankreich vor Gericht gestellt. Für die Bundesanwaltschaft ist der Fall des laut Anklage am Genozid beteiligten früheren Bürgermeisters «Neuland», heißt es in Karlsruhe.

Drei Staatsanwälte schickt Karlsruhe am Dienstag nach Frankfurt, das Interesse im Ausland ist hoch. Die Anklageverlesung werde vermutlich zwei Tage dauern, schätzt Wallenta. 45 Prozesstermine hat das Gericht schon anberaumt, der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel rund 50 Zeugen bereits jetzt geladen. Ein Hamburger Soziologe soll im Februar dann zunächst allen Prozessbeteiligten ein Bild des Genozids in Ruanda vermitteln. Dem von der Interpolzentrale im französischen Lyon noch immer zur Fahndung ausgeschriebenen Onesphore R. droht lebenslange Haft.

16.01.2011 dv