Alexander Kernstock (37) betreibt in der Nähe von Schwäbisch-Hall einen Zimmermannsbetrieb. Ein paar hundert Meter von seinem Büro entfernt, im Gewerbegebiet befindet sich eine Sozialunterkunft. Dort leben etwa zehn Personen, darunter auch ein deutscher Obdachloser. «Mit dem Mann hatten wir schon mal Probleme. Einmal hatte er einen Hund dabei, vor dem meine Tochter riesige Angst hatte und den er nicht im Griff hatte. Ein anderes Mal hat er hinter meiner Frau hergepöbelt. Ich sagte ihm dann deutlich, dass er meine Familie in Ruhe lassen soll.»
Am 6. Dezember 2019 trinkt Alexander Kernstock gegen Mittag im Büro Kaffee mit seinem Schwager. «Durchs Fenster sah ich den Mann die Straße entlanggehen, an der Hand ein kleines Mädchen (6) mit einem Schulranzen. Das kam mir seltsam vor.» Alexander Kernstock geht nach draußen und beobachtet die Situation. «Das Mädchen hat sich beim Gehen kurz umgedreht. Das hat mich darin bestärkt, dass es nicht zu dem Mann gehört.»
Kein Alleingang
Alexander Kernstock und sein Schwager sehen, dass der Mann und das Mädchen zu seiner Unterkunft in einem Container gehen. «Ich habe kurz meine Frau angerufen und sie hat uns bestätigt, dass in den Containern eigentlich keine Familien mit Kindern untergebracht sind. Mein Schwager und ich haben kurz überlegt hinterher zu laufen. Aber was hätten wir dann tun sollen? Wir konnten ja nicht einfach in den Container stürmen.»
Stattdessen beschließen die Männer, die Polizei anzurufen. Kurze Zeit später trifft eine Polizeistreife ein. Im Zimmer des Mannes entdecken die Beamten das verängstigte Mädchen. Der 65-Jährige ist bereits entkleidet. «Ein schwerer sexueller Missbrauch konnte vermutlich in allerletzter Sekunde verhindert werden“, so die Polizei Aalen.
Etliche Zeugen erkannten die Gefahr nicht
Wie sich herausstellt, hatte der Mann die Erstklässlerin schon tags zuvor auf dem Heimweg von der Schule angesprochen. Er hatte ihr versprochen, ihr Tiere zu zeigen, wenn sie am nächsten Tag mit zu ihm komme. Als die Sechsjährige am Tattag nicht zum Mittagessen nach Hause kam, suchten die Eltern in Panik den Ort ab, bis die Polizei anrief.
Soweit Alexander Kernstock gehört hat, waren der Mann und das Kind unterwegs noch anderen Zeugen aufgefallen. Doch die meisten glaubten, der Mann sei der Opa des Mädchens. Der Täter kam in Untersuchungshaft und wurde im Juli zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Alle Prozessbeteiligten sind sich nach Mitteilung der Polizei einig: «Ohne den aufmerksamen Zeugen Alexander Kernstock wäre es zu einem wesentlich schlimmeren Verlauf der Tat gekommen.»
Die Jury meint:
Alexander Kernstock hat mit besonderer Sensibilität und Besonnenheit den sexuellen Missbrauch an einem sechs Jahre alten Mädchen verhindert. Er sorgte dafür, dass der Täter noch zu Beginn der Tatausführung gestoppt und festgenommen werden konnte. Die Jury hält Alexander Kernstock für einen vorbildhaften Menschen von außerordentlicher Zivilcourage.
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