Das Hickhack hört nicht auf

Sicherungsverwahrung: Die Politiker finden nicht zueinander und die Beobachter haben keinen richtigen Durchblick

Berlin (dv). Die Kommentare in den Samstagsaugaben der Tageszeitungen beschäftigen sich mit dem Streit um die Sicherungsverwahrung sehr ausführlich. Und sie spiegeln eine gewisse Unsicherheit der Politiker über den richtigen Weg wider:

Rasche Regelung tut not
Die Welt – Der Schutz der Bevölkerung vor hochgefährlichen Sexual- und Gewalttätern ist ein hohes Gut. Durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden solche Täter nach Verbüßung ihrer Haft in die Freiheit entlassen. Die ersten sind bereits frei – das versetzt viele in Alarmstimmung. Es gründen sich Bürgerinitiativen, die zur Selbsthilfe greifen und eine Bewachung der Rückfallgefährdeten organisieren. Wer solche Aktionen verurteilt, der verkennt die Angst von Eltern, dass ihr Kind zum Opfer wird. Deshalb ist der Bundesgesetzgeber gefordert. Er muss jetzt rasch eine Regelung finden, die einerseits den Anforderungen des Gerichtshofs genügt und andererseits die Gefahr vorhersehbarer Sexualstraftaten mindert.“

Die Uhr tickt
Schweriner Volkszeitung – „Die Uhr tickt. 15 von rund 80 Schwerverbrechern, die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden müssen, sind bereits auf freiem Fuß. Und Politik, Justiz und Polizei streiten darüber, wie die Bevölkerung vor ihnen wirksam geschützt werden kann. So als sei die Entscheidung gerade aus heiterem Himmel gekommen, suchen die Verantwortlichen von Bund und Ländern nach Möglichkeiten, die Täter lückenlos zu überwachen. Kann eine neu einzuführende Sicherungsunterbringung die Sicherheitsverwahrung ersetzen? Ist die elektronische Fußfessel zur Observation wirklich geeignet? Viel zu spät und viel zu zögerlich wird jetzt auf das Urteil reagiert.“

Ein Risiko bleibt
Frankfurter Rundschau – „Die nachträgliche Sicherungsverwahrung ist nicht nur untauglich, sie verletzt darüber hinaus auch rechtsstaatliche Standards. Darum hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger recht, wenn sie die Sicherungsverwahrung nicht nur auf den Schutz vor schwersten Verbrechen beschränken, sondern ihre nachträgliche Anordnung abschaffen will. Der Schutz der Allgemeinheit wird dadurch nicht verringert. Aber natürlich – ein Risiko bleibt. Man nennt es Lebensrisiko.“

Das Land muss damit klar kommen
Münchner Abendzeitung – „Was nun von den Justizpolitikern verlangt ist, ist weder Beschwichtigung noch Hysterie und schon gar kein Koalitionsgeplänkel. Sondern rasches Handeln. Es mag Fälle geben, in denen eine elektronische Fußfessel Straftäter in den Griff kriegt. Ein Königsweg ist sie nicht. Deswegen wird die Politik an geschlossener Unterbringung und Totalüberwachung nicht vorbeikommen. Denn schließlich: Es geht um ein paar Dutzend gefährliche Täter. Mit denen kann, muss und wird das Land klar kommen.“

Alte Gesetzesfehler schnell reparieren
Frankfurter Allgemeine Zeitung – „Die Politik hat das brisante Thema nun lange genug für die üblichen Koalitionsstreitereien missbraucht. Dabei trägt die Bundesjustizministerin nur die Reparaturverantwortung für Gesetzesfehler, die vor zehn Jahren begangen wurden, also zur Zeit der rot-grünen Koalition. Damals wurde versäumt, die Sicherungsverwahrung von der Gefängnisstrafe rechtlich und im tatsächlichen Vollzug so zu trennen, dass sie nicht als unendliche Verlängerung der Haft erscheint.“

07.08.2010 dv