Die Öffentlichkeit hat Anspruch auf Informationen

Das erklärt Nordrhein-Westfalens Innenminister und sagt - erstmal gar nichts

Duisburg (dv) Ja, was soll der Mann denn sagen? Die Zeiten der Kondolenz sind vorbei. Jetzt geht es ans Eingemachte. 21 Menschen sind bei der Loveparade in Duisburg gestorben, etwas ist da völlig aus dem Ruder gelaufen. Doch was? Wer trägt die Schuld? Was sind die Konsequenzen?

Ralf Jäger – Sozialdemokrat, semmelblond, kurzer Haarschnitt, müde Augen, heller Sommeranzug – sieht sehr mitgenommen aus. In Duisburg ist er aufgewachsen, hier saß er im Stadtrat, hier kennt er jeden Fleck und jeden Tunnel. Er hat auch vor der Loveparade den Veranstaltungsort besichtigt. Doch da konnte er nun wirklich nicht ahnen, welch beängstigende Details in den Wochen darauf fahrlässig missachtet werden.

Jetzt, nach dem Unglück, hat er die vorläufigen Ermittlungsakten studiert und versucht sich in nüchternem Rekapitulieren:
Es geht darum, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf Information und Offenheit hat. Es ist unerträglich, dass nicht gesagt wird, was wirklich passiert ist, was dazu geführt hat, dass wir Tote und Verletzte zu beklagen haben. 
Was ich aber als ebenso unerträglich empfinde, ist die Tatsache, dass Verantwortung aufseiten des Veranstalters  und der Stadt als Genehmigungsbehörde abgeschoben wird – und zwar bevor alle Fakten bekannt sind.“

Also, erstmal abwarten und den ersten Zorn der Menschen verrauchen lassen?
„Wie man weiß, sind bei privaten Großveranstaltungen die Aufgaben auf drei Stellen verteilt: Die Zuständigkeit für die Genehmigung von Veranstaltungen im öffentlichen Raum wie der Loveparade liegt bei der zuständigen Kommune, also der Stadt Duisburg. Diese prüft den Antrag des Veranstalters und entscheidet über die Genehmigung.

Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung im Veranstaltungsbereich hat ausschließlich der Veranstalter. Er muss mit seinen privaten Sicherheitskräften für die Sicherheit der Teilnehmer auf dem Veranstaltungsgelände sorgen und die Genehmigung der Stadt einhalten.“

Und was ist mit der Polizei? 
Da nimmt Jäger sofort eine erwartete Schutzhaltung ein:
„Die Polizei übernimmt die Kontrolle für den nicht abgesperrten Bereich außerhalb des Veranstaltungsgeländes. Das hat sie gut getan.

Es hat sich im Laufe der Veranstaltung ergeben, dass der Veranstalter die Polizei um Hilfe gerufen hat, weil das Geschehen auf dem Veranstaltungsgelände außer Kontrolle geraten ist.“

Also kein Schuldiger? Auch nicht der Oberbürgermeister von Duisburg, Adolf Sauerland? 
Das fragt der Moderator des „Morgenmagazins“ den Innenminister. Der steht vor dem Rathaus der Stadt und hat eben noch einen „schönen guten Tach“ gewünscht. Nun umwölkt sich seine Stirn.
„Ich kenne Herrn Sauerland noch aus meiner Stadtratszeit. Politische Freunde waren wir nicht. Aber ich bin sicher, dass Herr Sauerland keine Verletzten oder gar Tote wegen einer Veranstaltung billigend in Kauf genommen hätte. Nein, das hätte er nicht. 
Es bleibt die Frage nach der moralischen Verantwortung.“

Moderator: Und? Haben Sie da einen Rat für ihn? 
Da schweigt Ralf Jäger einen Moment lang. Dann: 
„Ach, ich finde Herr Sauerland ist es allen und sich selbst schuldig, dass er in dieser Frage möglichst bald klar Stellung bezieht.“

Vielleicht hat der Innenminister noch nicht die Morgenzeitungen gelesen. In denen steht es breitbreit auf den Titelseiten: «Bürgermeister Sauerland betont: Mich trifft keine Schuld.» 
Noch Antworten, Herr Jäger?

Foto: Innenministerium NRW

29.07.2010 dv