Berlin/Frankfurt (dv). Sicherungsverwahrung! Da scheiden sich die Geister. Die Einen warnen, man verzichte auf das Instrument, die Gesellschaft vor unbelehrbaren Kriminellen zu schützen. Die Anderen sagen: Ein Umdenken in Sachen Sicherungsverwahrung war überfällig. In dieser Woche sorgt der Fall Lothar K. für Diskussionsstoff:
Nach der Entlassung von zwei Straftätern aus der Sicherungsverwahrung in Hessen hat das Oberlandesgericht Frankfurt im Fall eines weiteren anders entschieden. Der 52-jährige Lothar K. gilt weiterhin als gefährlich und muss im Gefängnis bleiben. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Auch der 52-Jährige hatte sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berufen, wonach eine rückwirkende Sicherungsverwahrung von mehr als zehn Jahren unzulässig ist.
Nach dem Urteil der Straßburger Richter waren in den vergangenen zehn Tagen bereits zwei Straftäter entlassen worden. Einer von ihnen hatte wegen versuchten Raubmords, der andere wegen Kindesmissbrauchs im Gefängnis gesessen. In beiden Fällen war eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bereits im Urteil angeordnet worden, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Höchstdauer noch zehn Jahre betrug. Der Gesetzgeber hob diese Frist 1998 auf.
Nach der Psychiatrie wieder in Haft
Lothar K. hingegen war 1987 unter anderem wegen vier Fällen von Vergewaltigung verurteilt worden. Wegen einer starken Persönlichkeitsstörung und «sexueller Abartigkeit» wurde zudem seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Eine Therapie lehnte der Mann ab. 2007 erklärte das Landgericht Marburg die Unterbringung im Krankenhaus für erledigt. Da Lothar K. weiterhin als gefährlich galt, wurde eine nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet.
Ja, geht denn das, fragen die Verfechter eines modernen“ Rechtswesens. Und sie verweisen auf den Straßburger Beschluss. Dort wurde festgestellt, dass Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechte verstoße.
„Bodensatz der Verbrecher“
Befürworter der Maßnahme räumen ein, dass das Einsperren von Kriminellen über das Strafmaß hinaus eine „ultima ratio“, eine allerletzte Möglichkeit, sei. Doch angesichts der Gefahren, die vom „Bodensatz der Verbrecher“ (Süddeutsche Zeitung) ausgehen, müsse man eben zu diesem Mittel greifen.
Der Strafrechtler Heinz Schöch, anerkannter Experte für Sicherungsverwahrung, bringt es bei e110 auf den Punkt: „Kann gut sein, dass die meisten nach Ableisten der Strafe nicht mehr auffällig werden. Schön und gut. Aber wenn nur jeder Zehnte wieder ein Kind missbraucht oder eine Frau vergewaltigt, dann ist das eine Katastrophe.“
07.07.2010 dv
„