Letzter Ausweg: Geisterfahrt?

Familiendrama in Unterfranken: Polizisten überbringen Todesnachricht und entdecken Doppelmord

Repperndorf (dapd/wel). Polizisten haben in einem Wohnhaus im unterfränkischen Repperndorf am Morgen die Leichen eines Mannes und einer Frau entdeckt. Die Ermittler gehen von einem Gewaltverbrechen aus. Bei dem Paar handelt es sich um die Eltern eines 17 Jahre alten Geisterfahrers, der in der Nacht zum Dienstag auf der Autobahn 7 bei einem Frontalzusammenstoß mit einem Lastzug ums Leben kam.

Die Geisterfahrt – Absicht oder Versehen? 
Der Jugendliche, der allein in einem Audi 100 unterwegs war und keinen Führerschein besaß, sollte gegen Mitternacht in Kitzingen kontrolliert werden. Er missachtete jdie Anhaltezeichen der Polizeistreife und gab Gas. An der Anschlussstelle Kitzingen fuhr er auf die Autobahn – aber in falsche Richtung.

Fünf Kilometer weiter – zwischen Marktbreit und Kitzingen – kam ein schwerer Sattelzug entgegen. Der Brummifahrer konnte nicht mehr ausweichen, der Pkw prallte frontal gegen den Lkw. Der nicht angeschnallte Geisterfahrer wurde herausgeschleudert und starb neben den Trümmern des Wagens. Er gehörte seinem Vater.

Grauenhafter Fund im Elternhaus 
Gegen 8 Uhr wollten Polizisten den Eltern die Todesnachricht überbringen. In deren Einfamilienhaus in Repperndorf (Landkreis Kitzingen) fanden sie ein lebloses Paar – die Eltern des Jugendlichen, sie 50, er 59 Jahre alt.

Hat der junge Geisterfahrer seine eigenen Eltern umgebracht? Diese Frage muss die Kripo Würzburg jetzt versuchen zu klären.

Als rabiat bekannt
Nachbarn, die den Polizeibus vor dem Anwesen unmittelbar neben dem Feuerwehrhaus am Dienstagmittag beobachten, zeigen sich von dem Familiendrama, das sich offenbar abgespielt hat, nicht sonderlich überrascht. Der Jugendliche sei im Dorf als rabiat bekannt gewesen, berichtet eine Seniorin.

Ein Nachbar schildert den 17-Jährigen als extrem gewaltbereiten Mann. So soll er seiner aus Russland stammenden Mutter öffentlich angedroht haben, sie abzustechen“. Wurde er von Kindern in der Schule geärgert, so habe er schon einmal die Reifen an den Autos von deren Eltern platt gestochen.

„Das mit der Aggressivität ist die letzten Jahre immer schlimmer geworden“, berichtet ein Passant. Im Ort habe auch das Gerücht die Runde gemacht, der junge Mann verkehre in Kitzinger Neonazi-Kreisen, weshalb häufig die Polizei in dem schlichten Backsteinhaus vorstellig geworden sei.

„Kinder dürfen nicht spielen“ 
Allgemein wird die Familie als sehr zurückgezogen beschrieben. Der Familienvater sei ein alteingesessener Repperndorfer gewesen, der in seinem Elternhaus lebte. Er sei genauso streng gewesen wie die Mutter, wissen Nachbarn zu berichten.

So habe der 17-Jährige als Kind mit keinem anderen spielen dürfen. Ein Bekannter der Familie erzählt von einer Episode, wonach sich die Mutter des Teenagers über den Lärm spielender Kinder in der Nachbarschaft beschwert habe. Als sich deren Eltern verteidigten, Kinder müssten auch spielen dürfen, soll sie gesagt haben: „Kinder dürfen nicht spielen, Kinder müssen lernen.“

Unbeliebter Einzelgänger 
Dementsprechend habe der Geisterfahrer auch keine Freunde gehabt und mehrfach die Schule wechseln müssen. Zuletzt sei er in einer Realschule gewesen, wo auch ein Bekannter eines Nachbarn der Familie unterrichtet. „Jeder Lehrer hat Angst gehabt vor ihm“, betonte dieser.

Unter den Nachbarn und Anwohnern zweifelt kaum einer daran, dass der 17-Jährige seine Eltern getötet hat. „Das wird jeder hier sagen, dass er es war“, gibt sich ein Nachbar überzeugt. Dann – so wird weiter vermutet – habe der Jugendliche wahrscheinlich absichtlich das Auto seines Vaters gegen den Lastwagen gelenkt: „Das war wohl sein letzter Ausweg.“

Fotos: Polizei Unterfranken

26.10.2010  wel