Opfer – die unbekannten Wesen

Laut einer Studie sind die Daten zu Verbrechensopfern veraltet

Bielefeld (dpa) – In Deutschland werden jedes Jahr mehr als 250. 000 Menschen Opfer eines Verbrechens. Wie geht man mit den Opfern um? Welche Wünsche haben die Geschädigten? Und vor allem: Wie kann man solche Taten verhindern? Das sind sie zentralen Fragen, mit denen sich seit gestern 3.000 Experten auf dem Deutschen Präventionstag in Bielefeld beschäftigen. Der Präventionstag wird seit 1995 jedes Jahr von der Deutschen Stiftung für Verbrechensverhütung und Straffälligenhilfe (DVS) veranstaltet.

Im Mittelpunkt des Kongresses («Mehr Prävention – weniger Opfer») stehe der Umgang mit den Opfern, über die erstaunlich wenig bekannt sei, sagte die Kriminologin Wiebke Steffen, die dazu ein Gutachten erarbeitet hat. Die meisten Forschungsdaten stammten von Anfang der 90er Jahre, sagte Steffen und forderte eine «neue Opferforschung».

In einigen Bereichen hohe Dunkelziffer
Der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zufolge geht die Zahl der Verbrechensopfer zurück. Sie sank von gut 257.000 (2007) auf knapp 234.000 (2011). 71 Prozent der Opfer sind Männer. Zwei Drittel aller Opfer von Mord und Totschlag, Raub und Körperverletzung sind männlich, von gefährlicher und schwerer Körperverletzung sogar drei Viertel. Nur bei den Sexualstraftaten gibt es – mit über 90 Prozent – vor allem weibliche Opfer.

Zu den offiziellen Zahlen komme eine große Dunkelziffer. Auch hier sei die Datenbasis unbefriedigend, kritisierte die Kriminologin. Einen Eindruck vom Umfang der nicht angezeigten Taten – besonders groß sei die Zahl bei Sexual-und Gewaltstraftaten – könne mit Opferbefragungen gewonnen werden. 

Vorbilder: Schweden und Niederlande
Der Vorsitzende der Stiftung DVS, Hans-Jürgen Kerner, hob Schweden als Vorbild in Sachen Opferschutz hervor. Der dortige Nationale Kriminalpräventive Rat forsche selbst und verfüge über einen Etat, um Forschungsaufträge zu vergeben.

Die Niederlande seien sehr weit darin, nachhaltige Projekte zu entwickeln, sagte der Kriminologe Kerner. «Erst wird diskutiert, ob eine Idee gut ist. Dann gibt es mehrere Pilotprojekte in verschiedenen Umgebungen, dann – bei Erfolg – ein vorläufiges Gesetz und erst nach einer Probezeit das endgültige Gesetz.» Auch der Geschäftsführer des Präventionstages, Erich Marks, forderte mehr Präventionsforschung.

Kerner befürwortet außerdem eine gezielte Video-Überwachung besonders kritischer Punkte. Aufnahmen von Brennpunkten, die nach einer festgelegten Zeit wieder gelöscht würden, seien kein Eingriff in Bürgerrechte. Eine flächendeckende Überwachung lehnt er ab. «Der Generalverdacht gegen die ganze Bevölkerung ist nicht richtig.»

Foto: Deutscher Präventionstag 

23.04.2013 Ta / wel