Wie eine Sucht

Trotz Gesetz: Keine Internet-Sperren kinderpornografischer Seiten

Marburg (dapd). Immer wieder werden Cyber-Kriminelle gefasst, ganze Kinderporno-Ringe zerschlagen. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) meldet, dass 99,4 Prozent der von eco gemeldeten Kinderporno-Seiten gelöscht wurden. Dies funktioniert nur auf einer soliden  Rechtsgrundlage, die andere Grundrechte nicht verletzt. Ein Erlass des Bundesinnenministeriums sorgt erneut für Handlungsbedarf und beschäftigte den Koalitionsausschuss. Dabei geht es nicht nur um den Kampf gegen Kriminelle, sondern auch um den Schutz labiler Menschen wie ein aktuelles Beispiel zeigt.

Fotos unschuldiger Opfer 
Zusammengesunken sitzt der 31-jährige Mann auf der Anklagebank, als das Amtsgericht Marburg ihn am Dienstag wegen des Besitzes und der Weitergabe von Kinderpornografie zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Mehr als 2.700 kinderpornografische Bilder und Videos mit Darstellungen des sexuellen Missbrauchs von Jungen hat sich der Industriearbeiter innerhalb von eineinhalb Jahren aus dem Internet heruntergeladen, wie Richterin Nadine Bernshausen sagt. In 66 Fällen gab er zudem derartige Dateien über Tauschbörsen an andere Internetnutzer weiter.

«Es war wie eine Sucht, ich konnte nicht aufhören, das zu sammeln», gesteht der Mann aus den Landkreis Marburg- Biedenkopf unter Tränen. Er könne heute nicht mehr verstehen, wie er das tun konnte. Es seien die Bilder «unschuldiger Opfer» gewesen, die er sich angeschaut habe und dafür schäme er sich. «Ich war froh, als die Polizei kam und das alles endlich vorbei war», fügt der 31-Jährige hinzu.

Hinter jedem Bild ein Schicksal
Die Polizei kam im Februar 2010 zu ihm, nachdem sie im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren in der Kinderporno-Szene auf den E-Mail-Account des Mannes gestoßen war. Dieser überreichte den Ermittlern nicht nur sofort seine Computer mit den gespeicherten Kinderpornos, sondern nannte ihnen auch die Zugangsdaten von Internetaccounts seiner Tauschpartner. Staatsanwalt Georg Ungefug sagt: «Das ist ein bemerkenswerter Vorgang, der uns umfangreiche Folgeermittlung gegen weitere Täter ermöglicht hat.» Dennoch wiege das Vergehen des Angeklagten schwer. «Hinter jedem Bild steht das Schicksal eines Kindes, dessen Leben zerstört wurde», gibt der Staatsanwalt zu Bedenken.

Richterin Bernshausen wertet die Kooperation des Mannes mit den Ermittlern bei der Urteilsbegründung ebenso zugunsten des 31-Jährigen, wie den Umstand, dass er sich nach seiner Entdeckung aus eigenem Antrieb in eine Psychotherapie begeben hatte, in der er sich noch immer befindet.

26.1.2011 LB