du denkst, das ist ein Volksfest

1. Mai, 14.17 Uhr, Schönhauser Allee

Ströbele greift zum Mikro. Der Hans-Christian-in-allen-Gassen des Kiezes trägt über dem weiß-blau-gestreiften Hemd einen dunkelblauen Kaschmirpullover, hat ein in vielen politischen Rangeleien gut gealtertes gebräuntes Gesicht – und dass ein leiser Wind seine schlohweißen Haare in die Stirn föhnt, komplettiert den leicht wilden, durchaus männlichen Gesamteindruck. Ströbele, der grüne Bundestags-Direktkandidat der Stadtteile Kreuzberg, Friedrichshain und östlicher Teil von Prenzlauer Berg, tritt gern öffentlich auf. Den Eindruck macht er jedenfalls.

Er sagt, dass sich die ungefähr tausend“ rechten Demonstranten oben an der Bornholmer Straße eingekesselt hätten. Drum herum seien die Polizeikräfte und dann die vielen, vielen Freunde und Gegendemonstranten. Man wisse noch nicht genau, wohin sich die Rechten bewegen würden. Aber man werde dafür sorgen, dass sie nicht durch Berlins Straßen ziehen könnten. Vielleicht würden sie ja hierher kommen. Dann werde man stehen wie ein Mann.

Ströbele martialisch 
Hans-Christian Ströbele versteht sein rhetorisches Metier. Die Menschen – Mütter mit Kindern, Intellektuelle, Ausländer, nette Menschen mit Rastalocken oder nichts auf dem Kopf, ältere Damen oder Kerle im Feinripp-Unterhemd – hören aufmerksam zu, wenn Ströbele Wesen und Logistik dieser friedlichen Gegendemo erklärt.

Aber wer sich genau mit seinem Vokabular beschäftigt, ist dann irgendwie ein bisschen irritiert. Er hat sich doch dem Pazifismus verschrieben – muss er da andauernd davon reden, dass hier ein „Kampf“ gewonnen werden muss oder dass man sich rechtes Gedankengut „in keinem Falle bieten“ lassen werde. Er kommt ein bisschen sehr martialisch daher. Und seine Ansprache endet mit den kämpferisch gebellten Worten. „Die werden nicht schaffen, was sie hier vorhaben. Wir hindern sie daran.“

Die Zuhörer werden jetzt laut. Brüllen, dass die „Nazis raus“ müssten. Es klingt – pardon! – überhaupt nicht friedlich.

01.05.2010 dv

Ströbele hat fertig. Er sieht sehr wohl aus, als er sein Rad von dannen schiebt.