Ein rechter Spaß? Nein, Mordversuch!

Hohe Strafen für Rechtsextreme nach Brandanschlag

Limburg (dapd). Den «Denkzettel» lässt Richterin Karin Walter den jungen Neonazis nicht durchgehen. Dafür hätte ihrer Meinung nach ein Farbbeutel gereicht. Sie wertet den Wurf eines Molotowcocktails auf das Haus eines Pastoralreferenten in Wetzlar als Mordversuch. Im Haus schliefen zum Tatzeitpunkt die Ehefrau des Mannes und ihre drei Kinder.

Mehrjährige Haftstrafen 
«Die Angeklagten haben den Tod der Bewohner zumindest billigend in Kauf genommen», sagte die Richterin des Limburger Landgerichts. Sie befand die jungen Männer des versuchten vierfachen Mordes und der schweren Brandstiftung für schuldig. Die Anhänger der rechtsextremen Gruppierung Anti-Antifa Wetzlar müssen mehrere Jahre ins Gefängnis.

Der zur Tatzeit 17 Jahre alte Haupttäter wurde zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine Komplizen erhielten Haftstrafen zwischen drei Jahren und neun Monaten und fünf Jahren.

Wollten nur einen Schrecken einjagen“
Als die jungen Männer das Strafmaß hörten, machten sie jedoch große Augen. In der Verhandlung hatten sie ausgesagt, sie hätten sich am Engagement des Kirchenmitarbeiters gegen Rechtsextremismus gestört und ihm mit dem Brandanschlag lediglich einen Schrecken einjagen wollen.

Die Anhänger der rechten Szene seien sich jedoch – so die Richterin – sehr wohl bewusst gewesen, welche Gefahr von dem Molotowcocktail mitten in der Nacht für die schlafenden Bewohner ausgegangen sei. Einer von ihnen habe vor der Tat Bedenken geäußert, das gesamte Haus könnte abbrennen. Reaktion der Anderen: Grinsen. Auf den Einwand, es könnten dabei auch Menschen zu Schaden kommen, hätten die anderen Männer erwidert: «Scheißegal!».

Motiv: Rachsucht
Die Angeklagten hätten heimtückisch und aus niederen Beweggründen gehandelt. «Sie handelten aus purer Rachsucht», sagte die Richterin. Der Pastoralreferent hatte als Teil seiner Jugendarbeit Aktivitäten der rechten Szene gefilmt und im Internet veröffentlicht.

So drehte er ein Video von einer Schlauchbootfahrt junger Neonazis auf der Lahn zu Gedenken an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess – und unterlegte es mit dem Schlager «Ein knallrotes Gummiboot». «Die Angeklagten wollten es dem Nebenkläger heimzahlen, weil sie sich von ihm provoziert fühlten», sagte Walter.

Feier nach der Tat und späte Reue
Das Gebäude wurde durch eine mit Benzin geschleuderte Gasflasche in Brand gesetzt.  Beim Anblick der Stichflamme hätten die Neonazis mit einem «Boah» ihre Bewunderung geäußert und seien geflüchtet, berichtete Walter. Im Auto hätten sie gefeixt, sich vorgestellt, wie das Haus abbrennt, und sich darüber lustig gemacht. «Bereits auf der Fahrt feierten die Angeklagten.»

Die Richterin hielt den jungen Männern zugute, dass sie alle Geständnisse ablegten. Einem zur Tatzeit 23-Jährigen rechnete sie zudem an, dass er als Kronzeuge zur Aufklärung der Tat beigetragen habe. Und einem damals 21-Jährigen, dass er von seinem Lohn im Gefängnis Schmerzensgeld an die Opfer zahle und sich bei einem Aussteigerprogramm angemeldet habe. Allerdings zeigte sich die Richterin darüber besorgt, dass zwei der jungen Männer weiterhin an rechtsradikalem Gedankengut festhielten.

03.02.2011 dv