Hamburg (dapd-nrd). Nach dem friedlich zu Ende gegangenen Hamburger Schanzenfest ist es zu Ausschreitungen von Linksautonomen gekommen. Aus einer Gruppe von etwa 150 schwarz gekleideten Personen warfen gegen 23.30 Uhr einige Randalierer Flaschen auf eine Sparkasse am Schulterblatt und entzündeten ein meterhohes Feuer vor dem bekannten Autonomentreff Rote Flora. Dabei hielten sie Transparente mit Aufschriften wie Wir brauchen keine Polizei“ hoch. Zuvor waren tagsüber bei einer Art Volksfeststimmung bis zu 10.000 Besucher an 600 Flohmarktständen zusammengekommen. Auch nach Einbruch der Dunkelheit blieb es zunächst friedlich.
Nach den Attacken der Autonomen gegen Mitternacht griff die Polizei nicht ein. Die Einsatzkräfte hatten sich zum Schanzenfest auf „gewalt- und erlebnisorientierte Besucher“ eingestellt, wie Polizeisprecher Mirko Streiber sagte. Die Polizei war mit fast 1.600 Beamten im Einsatz. Die hielten sich aber im Hintergrund und verließen ihre Posten am Rande des Schanzenfestes trotz des Feuers und der Sachbeschädigungen zunächst nicht. Streiber sprach auf dapd-Anfrage von einer beeindruckenden Situation: Bewohner und Passanten des Schanzenviertels hätten immer wieder beruhigend auf die provozierenden Randalierer eingewirkt und signalisiert, dass sie gegen Gewalt seien. „Der überwiegende Teil will keinen Ärger“, sagte er. Es wäre bedauerlich, wenn sich die Minderheit durchsetze.
Ruhige Nacht erhofft
Alljährlich kommt es in der Nacht nach dem Schanzenfest rund um die Rote Flora zu Straßenschlachten zwischen Polizei und Randalierern. 2010 etwa wurden 42 Personen festgenommen und mehr als 10 Menschen verletzt. Das linksalternative Schanzenfest selbst, bei dem seit 1988 Menschen miteinander feiern, verläuft stets friedlich. Das Motto der Organisatoren in diesem Jahr war „Kapitalismus, Krise, Widerstand: Schanzenfest auf Griechisch“.
Nach einem Rückgang der Gewalt rund um das Schanzenfest in den vergangenen Jahren hatte die Polizei 2012 auf eine eher ruhige Lage gehofft. Im Vorfeld hatte es keine Hinweise darauf gegeben, dass es zu Ausschreitungen kommen könnte, wie der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Joachim Lenders, im dapd-Interview sagte. Laut Polizei hing die Stimmung in dem Viertel bei Anbruch der Dunkelheit stark vom Verhalten der Anwohner ab. Ihre Beschwichtigungen könnten schwere Krawalle erneut verhindern. 2011 war die Polizei mit 2.100 Einsatzkräften und drei Wasserwerfern gegen die etwa 1.000 Linksextremen sowie Gewalt- und Erlebnisorientierten vorgegangen.
Trotz der kleineren Krawalle tanzten in diesem Jahr Hunderte Menschen durch die Nacht. In den kleinen Nebenstraßen zwischen Schulterblatt und Schanzenstraße bildeten sich Menschentrauben vor DJ-Pulten und Lautsprechern, aus denen Elektromusik spielte. Für ausländische Touristen ist das politisch motivierte Straßenfest eine Attraktion. So auch für eine Gruppe von Studenten aus Ungarn, Italien und der Türkei, die sich lachend vor einem großen Transparent mit der Aufschrift „Für die soziale Revolte – als Antwort auf das Bestehende“ fotografieren ließ.
Einsatzkosten mehr als halbiert
Polizeigewerkschafter Lenders begründete die Abnahme der Gewalt rund um das Schanzenfest in den vergangenen Jahren mit der erfolgreichen Strategie der Einsatzkräfte. Die starke Polizeipräsenz habe sich bewährt und die „Gewalt im Keime ersticken lassen“. Der diesjährige Einsatz kostet nach seinen Schätzungen nur noch etwa 350.000 Euro, nachdem es 2011 noch rund 750.000 Euro waren.
Trotz eher ruhiger Prognosen richtete die Hamburger Polizei in der Nacht zu heute (26. August) wie in den vergangenen Jahren ein Gefahrengebiet ein. Zwischen Samstag 23.30 Uhr und Sonntag 5.00 Uhr durften die Beamten im Schanzenviertel Personen ohne Anlass kontrollieren, deren Sachen durchsuchen, Platzverweise erteilen und Aufenthaltsverbote aussprechen.
Als Herausforderung der Zukunft bezeichnete Lenders das Phänomen der Krawalltouristen, „derer wir Herr werden müssen“. Dabei begrüßte der Polizeigewerkschafter, dass sich immer mehr Anwohner im Schanzenviertel den Randalierern in den Weg stellten und offen ihren Widerstand gegen die Ausschreitungen zeigten – so auch am Samstag.
26.08.2012 Ta
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